ERP-System Ratgeber

8 Gründe warum ERP-Projekte häufig scheitern

8 Gründe warum ERP-Projekte häufig scheitern

Wie viele andere Projekte auch können ERP-Projekte scheitern. Die Ursachen sind vielfältig. Nur, wer die wichtigsten Stolpersteine kennt, kann rechtzeitig gegensteuern und geeignete Maßnahmen einleiten, um einem möglichen Scheitern entgegenzutreten.

Die Einführung von ERP-Projekten erfordert von allen Beteiligten ein Umdenken. Lieb gewordene Gewohnheiten und „Fürstentümer“ stehen dem häufig entgegen. Die Sachwalter gut funktionierender Insellösungen in den Abteilungen stellen sich häufig deshalb quer, weil sie einen Kontroll- und Kompetenzverlust fürchten. Zudem sehen sie nur ihre Funktion im Unternehmen. Das Verständnis für die Bedürfnisse in anderen Unternehmensbereichen fehlt. Das schafft Probleme bei der ERP-Einführung, weil hier prozessorientierte Sicht- und Arbeitsweisen gefragt sind. Zu den wesentlichen Gründen für das Scheitern von ERP-Projekten gehören:

 

Alle aufgeführten Gründe stehen mehr oder weniger miteinander in Beziehung und beeinflussen sich gegenseitig. Beim Scheitern von ERP-Projekten lässt sich daher nie eine einzelne Ursache ausmachen, sondern es sind immer mehrere Gründe, die das Aus besiegeln.

 

Sogenannte „Fürstentümer“ in Unternehmen

Jedes Unternehmen besteht aus einem Geflecht von Hierarchien und Zuständigkeiten. Nicht nur innerhalb einzelner Abteilungen herrschen „Eifersüchteleien“ zwischen den Mitarbeitern, sondern auch zwischen den Abteilungen selbst kommt es regelmäßig zu Differenzen. Jeder definiert Arbeitsflüsse aus dem eigenen Blickwinkel heraus und setzt Prioritäten entsprechend dem eigenen Rollenverständnis. Abteilungen werden daher intern manchmal wie „Fürstentümer“ gemanagt.

Werden Funktionen in andere Bereiche verlagert oder wandern fremde Aufgaben in die eigene Abteilung hinein, dann kommt es fast immer zu Konflikten. Die Einführung eines ERP-Systems verlangt jedoch, dass Verantwortliche lernen, über Abteilungsgrenzen hinweg prozessorientiert zu denken und zu arbeiten. Dass nun andere Abteilungen Berichte direkt aus dem ERP-System abfragen können, die früher über umständliche Dienstwege angefordert werden mussten, muss in die Köpfe hinein.

Dies erfordert, dass die Spielregeln für alle transparent sind. Andernfalls werden Quertreiber aus Angst vor Kompetenzverlust mit allen Mitteln versuchen, ihre bisherigen Zuständigkeiten um jeden Preis wie eine Bastion zu verteidigen. Mehrere solcher „Fürstentümer“ im Unternehmen können eine ERP-Einführung zum Scheitern bringen.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Offen kommunizieren

Ängste nehmen

Vorhaben transparent machen

 

Fehlende Kompetenzen

Wenn es um die Einführung eines neuen Systems geht, das die Arbeitsweise aller Bereiche im Unternehmen berührt, wollen verständlicherweise viele mitreden und mitentscheiden. Selbst diejenigen, die eine Einführung eines ERP-Systems vehement befürworten, sind nicht immer in der Lage ein solches Projekt auf Abteilungsebene so zu managen, wie es die Situation erfordert.

Immer wieder sind – insbesondere im Hinblick auf die Infrastruktur – unzureichende Kompetenzen anzutreffen, was regelmäßig zu Verzögerungen im Projekt führen kann. Das Topmanagement muss deshalb dafür sorgen, dass Projektteams mit ausreichenden Kompetenzen ausgestattet sind. Ansonsten können Budgets schnell aus dem Ruder laufen, weil sich Projekte unnötig verkomplizieren.

Es geht bei einer ERP-Einführung weniger um die Einführung einer neuen Software, sondern darum ein Verständnis für die Grundlagen und Zusammenhänge im Unternehmen zu vermitteln, um die Voraussetzungen für einen reibungslosen Betrieb zu schaffen. Eine gründliche Schulung von Mitarbeitern gehört unbedingt dazu. Mitarbeiter müssen nicht nur neue Arbeitsschritte lernen, sondern verstehen, weshalb diese auszuführen sind. Ansonsten drückt dies auf die Motivation, was den Betrieb eines ERP-Systems erheblich beeinträchtigen kann.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Kompetentes Projektteam bestimmen

Mitarbeiter schulen

Verständnis vermitteln

 

„Konsenskultur“ als Entscheidungsbremse

Viele Unternehmen rühmen sich, keine oder nur wenige hierarchisch organisierte Strukturen zu haben. In dieser sogenannten Konsenskultur bringt sich jeder Mitarbeiter ein und findet Gehör. Im Grunde sind flache Hierarchien auf Unternehmens- und Abteilungsebene ein Fortschritt. Leider drängt dieses damit verbundene Streben nach „Harmonie“ darauf, möglichst alle Mitarbeiter bei Entscheidungen einzubeziehen.

Zahllose Meetings, die ohne greifbare Ergebnisse bleiben, sind die Folge, was nicht gerade von Entscheidungsfreude zeugt. Jeder möchte es eben jedem Recht machen. Man will Veränderungen zulassen, ohne bisherige Gewohnheiten einzuschränken. Auf Dauer kann das nicht gut gehen.

In Projekten mit straffen Zeitplänen ist es fast unmöglich, alle Ideen zur Anpassung von Prozessen zu berücksichtigen. Solange die Geschäfte blendend laufen, fällt nicht weiter auf, dass viele Geschäftsprozesse eher ineffizient sind.

Wenn ein solches Unternehmen eine grundlegende Entscheidung wie die Einführung eines ERP-Systems zu treffen hat, erweisen sich Konsenskulturen oft als Entscheidungsbremsen. Das Projektmanagement verzettelt sich in zu vielen Detailfragen, anstatt klare Zielvorgaben zu machen. Die Einführung kann sich dann ewig hinziehen oder schlimmstenfalls sogar scheitern.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

deutliche Zielvorgaben setzen

klare Entscheidungen treffen

Zeitplan im Blick behalten

 

Unklare Zielsetzungen

Wer sich für ein ERP-System entscheidet, verfolgt mit dessen Einführung in aller Regel klare Ziele. Davon gehen Anbieter aus. Die Einführung bedarf einer gründlichen Vorbereitung, die auch die Definition von Zielen umfasst. Meistens sind organisatorische Änderungen damit verbunden, die allerdings vor einer Einführung erfolgen sollten.

Probleme können dann auftreten, wenn bei der Vorbereitung geschludert wird und die Einführung zu früh einsetzt. Wenn zu diesem Zeitpunkt Prozesse noch nicht angepasst und wesentliche Fragen im Hinblick auf organisatorische Veränderungen noch nicht hinreichend geklärt wurden, können sich Projekte unnötig in die Länge ziehen und erheblich verteuern, weil es fortan ständig zu ungeplanten Nachbesserungen kommt. Eine vorschnelle Einführung führt in den meisten Fällen zu Problemen. Der Zeitpunkt sollte daher gut gewählt werden.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Gründliche Vorbereitung

Passenden Zeitpunkt bestimmen

Organisation anpassen

 

Beratungsfirmen treffen unternehmerische Entscheidungen

Oftmals sind sowohl die Fachabteilungen als auch das Topmanagement damit überfordert, ein geeignetes ERP-System auszuwählen. Obwohl das Management die gewachsenen Prozesse und Strukturen im Unternehmen am besten kennt, zieht man bereits bei der Auswahl des Systems unabhängige Beratungsfirmen hinzu und lässt sie die unternehmerischen Entscheidungen treffen.

Davon abgesehen, dass Unternehmensberater natürlich auch wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgen, gehen diese grundsätzlich von Standardprozessen im Unternehmen aus. Die Details zu wichtigen wertschöpfenden Prozessen und Besonderheiten des Unternehmens lernen sie erst kennen und verstehen, wenn die Entscheidung für ein System bereits getroffen wurde und das Projekt läuft.

Was aber ist, wenn sich im Projektverlauf herausstellen sollte, dass das System den Anforderungen nur zu Teilen erfüllt oder überdimensioniert ist? In dem Fall werden Projekte oft ohne Rücksicht auf Verluste zu Ende durchgezogen und es wird angepasst und nachgebessert, was das Zeug hält. Im Ergebnis dauert es viel länger bis das ERP-System richtig rund läuft – wenn überhaupt, weil eigene Mitarbeiter nicht ausreichend in den Einführungsprozess einbezogen wurden. Externer Support durch Berater ist auf Dauer nicht billig. Zieht sich die Phase zu lange hin, ufern die Kosten aus und können das gesamte ERP-Projekt zu Fall bringen.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Berater ausreichend prüfen

Mitarbeiter einbeziehen

Fortschritt überprüfen

 

Fehler bei der Softwareauswahl

Eine falsche Entscheidung, die bei der Auswahl der ERP-Software getroffen wird, kann dem Unternehmen sehr viel Geld kosten und das gesamte Projekt infrage stellen. Wie unter Punkt 5 gezeigt wurde, sind aber auch externe Berater auf Dauer keine kostengünstige Lösung. Aus diesem Grund kommt man vor dem eigentlichen Auswahlverfahren um eine sorgfältige Prozessanalyse nicht herum. Sie ist unbedingt zu empfehlen, weil nur so ein optimales System gefunden werden kann.

Wenn die Funktionen des ERP-Systems nicht alle relevanten Prozesse unterstützen, weil das Projektteam vergaß, sie zu dokumentieren, führt das zum Stopp und zur Neuauswahl. Umgekehrt kann ein überdimensioniertes System das Unternehmen überfordern. Ein falsch ausgewähltes System, das infolge einer oberflächlichen Analyse das Tagesgeschäft nicht ausreichend abdeckt, kritische Geschäftsprozesse falsch abbildet oder unflexibel ist, führt paradoxerweise oft zu neuen Insellösungen. Eine Situation, die das Management mit der Einführung des ERP-Systems ja eigentlich ausschließen wollte.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Anforderungen klar formulieren

Sorgfältige Prozessanalyse

Ausführliche Dokumentation

 

Keine klaren Zuständigkeiten – zu viele wollen mitentscheiden

Wie bereits bei den „Fürstentümern“ unter Punkt 1 aufgezeigt wurde, kann es bei Auswahl, Einführung und Betrieb eines ERP-Systems zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Beteiligten kommen. Wenn zu viele an der Projektumsetzung beteiligt sind, kann es daher recht kompliziert werden. Das ist weder für das Projektmanagement noch für den Anbieter erquicklich, denn diese sind bestrebt, einfache und stringente Prozesse durchzusetzen.

Aus diesem Grund muss von vornherein klar sein, wer im Unternehmen oder Projektteam über was entscheiden darf. Hier ist das Topmanagement gefordert, eindeutige Verantwortlichkeiten zu schaffen. Nur eine klare Aufgabenteilung mit festgelegten Zuständigkeiten zwischen den Beteiligten kann verhindern, dass im Vorfeld ein Kompetenzwirrwarr entsteht. Andernfalls droht das ERP-Projekt im Chaos zu versinken.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Zuständigkeiten bestimmen

Eindeutige Verantwortlichkeiten schaffen

Klare Aufgabenteilung

 

Der Zeitrahmen explodiert

Neben den vorgenannten Gründen, die zum Scheitern führen können, tritt noch eine weitere Komponente hinzu: die Zeit. Der Zeitrahmen für Prozessanalyse und Einführung wird oft zu knapp angesetzt. Wenn es an einer Stelle klemmt, gerät alles andere ins Stocken und der Zeitpunkt bis zur vollständigen Implementierung verschiebt sich immer weiter nach hinten.

Während dieser langen Zeitspannen verändern sich allerdings auch Geschäftsprozesse, die mit den im ursprünglichen Projektumfang definierten Prozessen nicht mehr identisch sind. Anschlussprojekte folgen, um die Software nachträglich den veränderten Geschäftsprozessen anzupassen. Wie die Erfahrung zeigt, können sich diese Anpassungsprozesse sehr lange hinziehen. In diesem Fall ist zu überlegen, ob nicht ein kompletter Neustart die bessere, da günstigere Lösung darstellt. Einen Ausweg bietet die Aufspaltung des Projektes in kleinere Teilschritte, um die Geschäftsprozesse sukzessive zu implementieren.

 

Ratsame Gegenmaßnahmen

Zeitplan realistisch festlegen

Teilschritte bestimmen

Sukzessive Implementierung

 

Fazit

Wie jede andere Lösung auch, implementieren sich ERP-Lösungen nicht von selbst, sondern sind das Werk vieler Beteiligter: Berater, Projektverantwortliche und Key-User in den Abteilungen. Sie alle müssen Hand in Hand arbeiten, damit Zeitpläne eingehalten werden und sich der Projekterfolg irgendwann einstellen kann. Wenn Projekte scheitern, dann hapert es oft in den zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den genannten Personenkreisen. Dies führt zu Motivationsproblemen und behindert den Projektfortschritt. Anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sucht man lieber nach Schuldigen, wenn etwas nicht so funktioniert wie geplant. Letztendlich ist das Scheitern ein Ausdruck menschlichen Versagens. Auch wenn häufig das Gegenteil kolportiert wird: Eine ERP-Software kann am wenigsten für das Scheitern eines ERP-Projekts.

 

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