Unternehmen, die den Anschluss nicht verpassen wollen, müssen höllisch aufpassen, denn ein nicht rechtzeitig erkannter Trend kann die Substanz gefährden. Das zeigt das Beispiel von Nokia, dem einstigen Weltmarktführer bei Mobiltelefonen. Das Management sah seinerzeit in den internetfähigen Mobiltelefonen kein großes Zukunftspotenzial und überließ das Feld Apple, Samsung & Co. Was danach folgte, ist bekannt und mittlerweile Geschichte. Ebenso sind Einzelhändler, die sich lange gegen E-Commerce sträubten, gegenüber der digitalen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten. Ähnlich könnte es Unternehmen ergehen, die den Mobiltrend bei ERP-Systemen verschlafen. Aus Angst vor ausufernden Kosten oder aus schierer Bequemlichkeit schieben viele Unternehmen Sicherheitsbedenken vor und warten lieber ab, anstatt zu handeln und ihre nicht mobil-fähigen ERP-Systeme weiterzuentwickeln. Warum eigentlich?
Studie belegt: Mobile Zugriffe auf ERP-Systeme nehmen zu
Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Die explosionsartige Zunahme bei der Nutzung von Mobilgeräten zeigt, dass immer mehr alltägliche Aufgaben mobil erledigt werden:
- von der E-Mail-Korrespondenz
- über Terminplanung
- bis hin zur Online-Kommunikation.
Auch beim Online-Shopping haben iPhones und Smartphones längst aufgeholt und sind dabei, klassische Desktop-PCs und Notebooks zu überholen. Nicht nur im privaten, sondern auch im geschäftlichen Verkehr hat die Mobilnutzung stark zugenommen. Dass Vertriebsmitarbeiter und Servicetechniker im Außendienst von unterwegs Zugang zu wichtigen Geschäftsdaten, wie Preise und Verfügbarkeiten von Artikeln und Ersatzteilen haben müssen, ist klar. Sie gehören sicherlich zu den 30 Prozent, die mobile ERP Funktionen benötigen, wie die Marktanalyse der Trovarit AG zusammen mit der RWTH Aachen in einer Befragung von 2.400 Anwenderunternehmen im Oktober 2014 herausfand. Auch wenn das Notebook zum Zeitpunkt der Studie noch das dominierende Gerät war, über das ERP-Installationen abgerufen werden, so weist der Trend jedoch ganz klar zu verstärktem Zugriff über Tablets und Smartphones. Es spricht also alles dafür, zentrale Funktionen von ERP-Systemen noch stärker als bisher verfügbar zu machen. Doch wie sieht die Realität aus?
Viel Optimierungsbedarf vorhanden
Die meisten mobilen Funktionen von ERP-Systemen sind noch nicht so ausgereift. Mit anderen Worten: es gibt noch etliche Schwächen. Erst wenige Funktionen sind für Smartphones & Co. so zugeschnitten, dass sie von diesen Geräten ebenbürtig zu stationären PCs und Notebooks, genutzt werden könnten. Die Zahlen der Studie belegen dies. Während über 66 Prozent der Befragten über Notebooks auf das unternehmenseigene ERP-System zugreifen, waren es bei Tablets und Smartphones zusammengenommen gerade einmal knapp 28 Prozent. Das bedeutet, dass erst ein Drittel der Anwender über Mobilgeräte auf ERP-Funktionen zugreifen. Das wird sich ändern, denn viele Hersteller von ERP-Systemen arbeiten mit Hochdruck daran, noch mehr mobile Funktionen als bisher bereitzustellen. Der schnelle Zugriff auf Kernfunktionen über Mobilgeräte ist das A & O, denn daran wird die mobile Einsetzbarkeit einer ERP-Software künftig gemessen werden.
Technische Hürden bei der Umsetzung
Viele Unternehmen tun sich auch deshalb schwer, weil sie nicht wissen, welche Mobil-Strategie sie fahren sollen. Vor allem bei veralteten ERP-Systemen besteht ein großer Nachholbedarf, Schnittstellen für den mobilen Zugriff zu entwickeln. Technisch gesehen gibt es drei alternative Möglichkeiten:
– Native Apps
– Webbasierte (HTML5) Apps
– Hybride Apps
Jeder der drei Ansätze hat Vor- und Nachteile, die hier kurz zusammengefasst werden sollen.
Native Apps – aus Anwendersicht das Optimum
Aus Entwicklungssicht sind native Apps ohne Zweifel der aufwendigste Weg, um mobile ERP-Funktionen bereitzustellen. Native Apps sind werden fest auf dem Mobilgerät installiert, müssen allerdings für jedes Betriebssystem individuell angepasst werden. Angesichts der großen Bewegungen auf dem Herstellermarkt und den schnellen Release-Wechseln bei den Betriebssystemen, ist das mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Sie erfordert ein klares Konzept, das dezidiert bestimmt, welche Funktionen auf welchen Geräten und Betriebssystemen laufen sollen. Demgegenüber lassen sich die Apps in Bezug auf die Usability sehr komfortabel designen und seit HTML5 sogar offline betreiben. Im Gegensatz zu webbasierten Applikationen können native Apps auf alle Funktionen des Mobilgeräts zugreifen.
Webbasierte Apps (HTML5) – Zugriff von allen Geräten
Mit HTML5 und CSS3 entwickelte Webanwendungen erkennen über Media Queries, von welchem Gerät sie gerade aufgerufen werden. Diese responsive Strategie ist entwicklungsseitig mit dem geringsten Aufwand verbunden und ist für ERP-Zugriffe optimal, wenn alle Geräteklassen unterstützt werden müssen. Alle mobilen Web-Apps laufen in einem Webbrowser und erfordern einen Internetzugang, wenngleich HTML5-Apps inzwischen auch Offline-Funktionen unterstützen. Der Zugriff auf spezielle Funktionen des Endgeräts erfolgt über Einbindung von Plug-ins in den Webbrowser.
Hybride Apps – Abdeckung aller mobilen Plattformen
Hybride Apps vereinen die Vorteile von mobilen und webbasierten Apps. Mit ihnen lassen sich alle mobilen Plattformen abdecken, sodass keine aufwendigen Parallelentwicklungen mehr nötig sind. Dadurch lassen sich die Entwicklungskosten ganz erheblich senken. Der Preis für die Plattformunabhängigkeit ist, dass hybride Apps plattformspezifische Interaktionsdesigns nicht nutzen können. Die Ausführung ist immer an einen Browser gebunden. Bei besonders rechenintensiven Funktionen ist die Performance nicht ganz so gut wie bei nativen Apps. Dies macht sich aber eher bei aufwendig designten Spiele-Apps als bei Business-Apps negativ bemerkbar. Hybride Apps werden vor allem eingesetzt im
- Mobile Business,
- Mobile Commerce und
- Mobile Marketing
Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen verwischen indes immer mehr, weil einige Frameworks bereits eine gemeinsame Code-Basis für Web-Apps, native Apps und hybride Apps unterstützen.
Welche Zeiträume muss man einplanen?
Mobile ERP-Lösungen helfen dabei, Prozesse effizienter, schneller und produktiver zu gestalten. Mitarbeiter haben jederzeit und ortsunabhängig Zugriff auf relevante Informationen wie Preise und Verfügbarkeit von Produkten einschließlich Zubehör und Ersatzteilen und können so vor Ort beim Kunden noch besseren Support und Service bieten. Während sich mobile CRM-Systeme relativ schnell realisieren lässt, dauert die Einführung von ERP-Lösungen, die den gesamten Warenfluss einbeziehen wesentlich länger. Je nach Struktur der Prozesse im Unternehmen kann sich die Einführung auf drei bis sechs Monate oder sogar einen längeren Zeitraum erstrecken.
Mobile ERP in der Auftragsabwicklung
Normalerweise wird bei der im ERP System integrierten Auftragsabwicklung immer noch sehr viel Papier verbraucht. Die Digitalisierung vieler Vorgänge über mobile ERP-Apps macht die Auftragsabwicklung einfacher und schneller. Der Papierverbrauch sinkt und es treten weniger Fehler auf. Die Auftragseingabe kann online wie offline erfolgen. Besonders praktisch ist das für den Vertrieb, der beim Kunden vor Ort, auf Ausstellungen oder Fachmessen Aufträge sofort erfassen kann. Der Vertriebsmitarbeiter hat die Kundenstammdaten direkt zur Hand und muss die Auftragsdaten nicht umständlich an die Auftragsabteilung faxen oder telefonisch übermitteln, sondern kann Bestellungen digital erfassen und direkt an das ERP-System weiterleiten. Zudem kann er jederzeit den Bearbeitungsstatus von Aufträgen in Echtzeit abrufen, ohne in der Zentrale rückfragen zu müssen.
Mobile ERP im Kundenservice
Was dem Vertriebsmitarbeiter nützt, kommt auch Mitarbeitern im Servicemanagement zugute. Die professionelle Wartung von Anlagen und Maschinen lassen sich über mobile ERP Lösungen mit Anbindung an den Helpdesk und die Kundendatenbank noch einfacher abwickeln. Der Servicemanager hat alle notwendigen Daten über die beim Kunden installierten Maschinen zur Hand, kann die Wartungshistorie zu jeder Zeit und an jedem Ort einsehen, zurückverfolgen und schneller auf akute Probleme reagieren. Sollte er bei einem geplanten Einsatz ein Ersatzteil benötigen, gibt die Datenbank sofort Auskunft darüber, ob das Teil vorrätig beziehungsweise lieferbar ist. Ferner weiß er, welcher Mitarbeiter wann mit welchem Problem beschäftigt war, was dieser zur Behebung unternommen hat und kann bei Unklarheiten sofort Kontakt aufnehmen und nachfragen. Er weiß direkt, welcher Mitarbeiter die nötigen Kompetenzen hat, um einen Serviceauftrag durchzuführen. Das bedeutet für den Kunden eine verbesserte Servicequalität mit kürzeren Reaktionszeiten bei der Reparatur und Wartung von Anlagen.
Mobile ERP in der Lagerverwaltung
In der Lagerverwaltung lassen sich Prozesse durch Einführung von Mobile ERP erheblich optimieren. Nicht nur große Konzerne profitieren davon, sondern vor allem klein- und mittelständische Unternehmen. Der Einsatz von Barcodesystemen verbessert nicht nur den physischen Warenfluss, sondern sämtliche logistischen Abläufe. Eingehende Waren werden von Mitarbeitern gescannt und die Daten an das ERP-System gesendet. Jede Warenentnahme wird bei Kommissioniervorgängen per Scanner erfasst und der Bestand im ERP-System in Echtzeit abgebucht. Der Vertrieb hat stets auf Knopfdruck exakte Informationen über aktuelle Warenbestände zur Hand und kann auf dieser Basis verlässliche Aussagen zur Lieferbarkeit von Artikeln treffen. Picklisten für einen Auftrag müssen nicht mehr in Papierform ausgedruckt und durchs Lager geschickt werden, weil diese direkt an das Mobilgerät gesendet werden. Dadurch spart das Unternehmen nicht nur Papier, sondern auch Zeit und Geld, weil sich dadurch Lagerbestände reduzieren lassen.
Die richtige Strategie für mobile ERP
Wer die Einführung von Mobile ERP im Unternehmen plant, kommt nicht daran vorbei, die Geschäftsprozesse im Unternehmen zuvor gründlich zu analysieren, bevor er Funktionen des ERP-Systems in mobile Apps „auslagert“. Hier müssen Rollenkonzepte entwickelt und einstudiert werden, damit Mobile ERP einen echten Nutzen bringt und nicht bloß eine Art Spielerei im Sinne von „Nice to have“ bedeutet. Für klein- und mittelständische Unternehmen bedeutet es unter Umständen eine große Herausforderung, weil eingefahrene Abläufe aufgebrochen und neu zu strukturieren sind. Hier sind naturgemäß auch Widerstände zu erwarten. Die umfassende Planung der Mobile Strategie zahlt sich in jedem Fall aus. Insellösungen mit einzelnen ERP-Apps später zu einem harmonischen und reibungslosen Ganzen zusammenzufügen, wird mit der Zeit immer aufwendiger. Das Management von KMUs ist daher gut beraten, schon frühzeitig auf eine ganzheitliche umfassende strategische Lösung zu setzen.
Sicherheit von mobilen ERP Lösungen
Das Thema Datensicherheit spielt nicht nur beim Zugriff auf das ERP System im Unternehmen und bei Cloud ERP eine wichtige Rolle, sondern auch beim Einsatz von mobilen ERP Lösungen. Hierbei sind verschiedene Aspekte relevant. Neben dem Schutz gegen unberechtigten Zugriff über sichere Passwörter ist auch die sichere Verschlüsselung während der Datenübertragung ein Thema, das bei mobile ERP zu lösen ist. Es kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu und der betrifft Vorkehrungen gegen den möglichen Verlust eines Mobilgeräts. Sofern nur über gesicherte Internetverbindungen auf Daten des ERP-Systems zugegriffen werden kann, ist ein Verlust keine Katastrophe. Besonders problematisch ist es jedoch, wenn mit dem Gerät auch offline gearbeitet wird und Daten lokal gespeichert werden. Zumeist ist das bei mobilen ERP-Apps der Fall, die schrittweise entwickelt und über Schnittstellen mit älteren ERP-Systemen verbunden wurden. Hier empfiehlt es sich, die Geräte im Rahmen einer Mobile-Device-Management-Lösung über PIN-Codes, die bei jedem Aufruf einer ERP-App einzugeben sind, zu sichern. Eine Funktion zur Löschung von Daten per Fernzugriff auf das Mobilgerät ist bei diesen Lösungen in aller Regel verfügbar.
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